BMF-Schreiben klärt: So weisen Steuerpflichtige eine kürzere Nutzungsdauer von Gebäuden nach

Besitzen Sie Immobilien, die Sie betrieblich nutzen oder vermieten? Dann können Sie die Anschaffungs- und Herstellungskosten dieser Immobilien bei der Steuer geltend machen. Die Abschreibung der Kosten erfolgt dann entweder über die gewöhnliche Abschreibung oder über eine verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer.

Durch die schnellere Abschreibung und die dabei angesetzten höheren Abschreibungssätze ergibt sich ein deutlicher Vorteil. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat Anfang des Jahres 2023, genauer gesagt am 22.02.2023, neue Anweisungen bezüglich des Nachweises dieser Restnutzungsdauer erlassen. Was das für Sie bedeutet und wie Sie den entsprechenden Nachweis erbringen können, erklären wir Ihnen hier.

Diese Abschreibungsmöglichkeiten kommen infrage

Die Regelungen zur Abschreibung von Immobilien, auch bekannt als ‚AfA‘ (Absetzung für Abnutzung), basieren auf § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG), welcher die spezifischen Voraussetzungen und Berechnungsmethoden für diese steuerlichen Abschreibungen festlegt. Als Experte in Immobilienfragen weist André Heid, Geschäftsführer der Heid Immobilien GmbH, auf einen wichtigen Aspekt bei der steuerlichen Behandlung von Immobilien hin: „Aber Achtung: Wer seine Immobilie selbst bewohnt, kann sie nicht im Rahmen der Abschreibung in der Steuererklärung absetzen. Dieser Vorteil bleibt Vermietern, also Kapitalanlegern, für ihre Immobilie als Wirtschaftsgut vorbehalten“, erklärt er. Diese Erkenntnis ist vor allem für Immobilienbesitzer und Kapitalanleger relevant, da sie erhebliche steuerliche Auswirkungen hat.

Lineare Abschreibung anhand der typisierten Nutzungsdauer

Nach Vorgaben des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG haben Sie die Wahl, ob Sie eine lineare Abschreibung nach einem typisierten Abschreibungssatz vornehmen möchten oder eine tatsächliche und kürzere Nutzungsdauer geltend machen wollen. Normalerweise werden bei Immobilien, abhängig vom Alter und der Nutzungsart der Gebäude, meist 2% oder 3% jährlich als Abschreibungssatz veranschlagt. Somit dauert eine vollständige Abschreibung bis zu 50 Jahre.

Am schnellsten geht es bei Neubauten. „Neubauten, die ab 2023 fertiggestellt werden, dürfen linear zu drei Prozent abgeschrieben werden. Nach 33 1/3 Jahren sind diese neuen Wohngebäude komplett abgeschrieben“, sagt André Heid. Bei einem Verkauf der Immobilie kann der neue Eigentümer diese lineare Abschreibung dann erneut ansetzen.

Abschreibung anhand der tatsächlichen Nutzungsdauer

Die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes ist jedoch aufgrund von Verschleiß oder der wirtschaftlichen Entwertung sowie rechtlichen Gegebenheiten meist wesentlich kürzer. Um diesen verkürzten Zeitraum beim Finanzamt erfolgreich angeben und geltend machen zu können, muss ein entsprechender Nachweis in Form eines Gutachtens erbracht werden. Ein solches Gutachten bewertet die Nutzungsdauer einer Immobilie unter normalen Bedingungen.

Dabei spielen beispielsweise Faktoren wie die Bausubstanz, die Historie der Instandhaltung, die Umweltbedingungen sowie die technologische Ausstattung eine Rolle. Vor allem bei Gebäuden mit einer schlechten Bausubstanz ist ein Gutachten äußerst hilfreich, weiß André Heid: „Begründet ein zertifizierter Immobiliensachverständiger die Verkürzung der Restnutzungsdauer in einem Gutachten, stehen die Chancen gut, dass der Fiskus die geänderte AfA für die Immobilie in Ihrer Steuererklärung annimmt. Dieser Trick kann bei Häusern und Eigentumswohnungen in schlechtem Zustand angewandt werden.“

Bisherige Nachweise genügen dem BMF nicht mehr

Ein reines Verkehrswertgutachten oder ein Gutachten nach der ImmoWertV (Immobilienwertermittlungsverordnung) genügt den Finanzämtern nicht mehr. Diese Möglichkeiten waren noch 2021 nach einem Urteil des BFH als ausreichend betrachtet worden (Urteil vom 21.07.2021 (IX R 25/19).

Damals hatten die Finanzgerichte einen erleichterten Nachweis für die verkürzten Nutzungsdauern noch bestätigt bzw. akzeptiert. Gemäß dieses Urteils war eine seriöse Schätzung der Nutzungsdauer absolut ausreichend und zulässig. Der BFH hatte alle Methoden akzeptiert, die für den Nachweis der Nutzungsdauer geeignet sind.

Das BMF kippte jedoch 2023 dieses Urteil, indem es durch sein Schreiben die Voraussetzungen für den Nachweis deutlich verschärfte. Gefordert wird beispielsweise eine Untersuchung der Tragstruktur der Immobilie sowie eine Analyse aller tragenden Bestandteile anstelle eines Hinweises auf die Modellansätze der ImmoWertV. Es fordert ausdrücklich ein Gutachten, welches sich nur mit der Nutzungsdauer der Immobilie befasst. Dieses Gutachten zur Restnutzungsdauer erstellt ein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter oder ein nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierter Sachverständiger.

Vorteil der geforderten neuen Nachweismethode

Der Nachweis durch ein Gutachten und die daraus resultierende schnellere Abschreibungsoption sind besonders vorteilhaft, wenn Sie eine gebrauchte Immobilie kaufen wollen. Ältere Gebäude dürfen zwar linear abgeschrieben werden, halten aber häufig die rein mathematisch angesetzte Nutzungsdauer gar nicht mehr durch. Es macht hier also Sinn, durch ein professionell erstelltes Gutachten eine kürzere Restnutzungsdauer zu belegen.

Tatsächlich ist es in der Praxis häufig schwierig, alle vom BMF geforderten Punkte nachzuweisen, sodass es passieren kann, dass das Gutachten dennoch nicht anerkannt wird. In diesem Fall steht Ihnen der Klageweg offen. Hierbei haben Sie ebenfalls einen Vorteil, der sich aus der fehlenden gesetzlichen Anpassung ergibt: Die Finanzgerichte können im Rahmen dieses Klageverfahrens die Anweisungen des BMF-Schreibens ignorieren, da sie nicht bindend sind. Das erhöht Ihre Chancen, dass während des Verfahrens das vorgelegte Gutachten vom Gericht als ausreichend anerkannt und die kürzere Restnutzungsdauer akzeptiert wird.

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